Das Gift der Engel by Oliver Buslau

Das Gift der Engel by Oliver Buslau

Autor:Oliver Buslau [Buslau, Oliver]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-02-01T05:00:00+00:00


12

Alban hatte sich schon immer darüber gewundert, dass die Bonner das Gebiet zwischen Kölnstraße und Bornheimer Straße, zwischen Berliner Platz und Kaiser-Karl-Ring Altstadt nannten. Natürlich waren die Häuser dort alt: An den engen Alleen reihten sich mehr oder weniger renovierte klassizistische Fassaden, und wenn man durch die schnurgeraden Straßen fuhr, prasselten die Reifen über Kopfsteinpflaster. Trotzdem lag dort nicht das älteste Gebiet Bonns. Das befand sich eindeutig hinter dem Schloss. Doch dafür hatten die Bonner einen anderen Namen: Sie nannten es »Innenstadt« oder »Fußgängerzone«.

Alban ließ den Volvo im Schritttempo durch die Dorotheenstraße rollen, die die sogenannte Altstadt genau in der Mitte teilte. Links und rechts parkte ein Wagen hinter dem anderen. Immer wieder musste er an den kleinen Kreuzungen Nachbildungen römischer Relikte ausweichen, die die Stadtväter hier hatten aufstellen lassen.

Er hatte die Adresse von Dennekamps Laden passiert, doch er war gezwungen weiterzufahren, bis er endlich einen Parkplatz fand. Auf dem Rückweg kam er erneut an einem der antiken Denkmäler vorbei, deren Sinn vor allem darin bestand, den Verkehr zu beruhigen. Es war eine etwa zwei Meter hohe helle Säule auf dunklem Sockel. In das Rund war eine lateinische Inschrift eingemeißelt. Eine Tafel informierte darüber, dass es sich hierbei um den Abguss eines römischen Meilensteins handelte, der zwischen Köln und Trier gefunden worden war.

Vor einer breiten Toreinfahrt blieb Alban stehen. Daneben war an einer Mauer ein Schild angebracht: »Martin Dennekamp – Antiquariat und Verlag«. Ein Pfeil wies in den Hof, an dessen Rückseite sich ein dunkles Backsteingebäude mit schrägem Blechdach drängte. Daneben parkte ein alter VW-Bus, dessen Farbe sich nicht entscheiden konnte, was sie sein wollte: Hellblau, Beige oder verdrecktes Weiß.

Alban gelangte an eine Glastür mit weißen Sprossen, hinter der ein handgeschriebenes Pappschild ein weiteres Mal darauf hinwies, dass man es hier mit Dennekamps Geschäft zu tun hatte. Er wechselte die Mappe mit der Partitur in die andere Hand und sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach zehn am Samstagmorgen. Das Geschäft müsste geöffnet sein. Er drückte die Klinke hinunter. Die Tür war verschlossen.

Er ging näher an das Glas heran und versuchte ins Innere zu sehen, doch es war zu dunkel. Bestenfalls ein paar Regale waren zu erahnen. Er klopfte ein paarmal gegen die Scheibe. Nichts geschah.

Vielleicht gibt es einen Hintereingang?, dachte Alban.

Er umrundete den Backsteinquader und kam an der Rückseite, wo er sich zwischen die Mauer und den Zaun zum nächsten Grundstück quetschen musste, an einem weiteren Fenster vorbei. Im Dämmerlicht waren eine Spüle und ein Kühlschrank zu erkennen, auf dem sich eine Batterie Flaschen drängte.

Zurück am Eingang, klopfte er wieder. Plötzlich wurde hinter dem Glas eine Bewegung sichtbar, und ein Mann mit wuscheligen dunklen Haaren und einem grauen Vollbart öffnete die Tür.

»Wir haben geöffnet. Treten Sie ruhig näher.« Neonröhren flammten auf. »Ich hatte noch oben zu tun.«

Alban betrat den Laden und stand sofort in einem wilden Durcheinander: mit Büchern vollgestopfte Regale, Kisten, aus denen bedrucktes Papier quoll, lose Stapel der verschiedensten Druckwerke. Es roch muffig und feucht.

Das ist kein Antiquariat, dachte er, das ist eine Müllhalde. Wer hier Bücher kauft, tut es aus Mitleid, um sie vor dem Tod durch Schimmel und Fäulnis zu bewahren.



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